10. April 1866, Berlin: Die Rumänische Frage

10. April 1866, Berlin: Die Rumänische Frage

Aus einem Brief des Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen aus Berlin am 10. April 1866, gesendet an seinen Vater Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen nach Düsseldorf:

(Prinz Karl war zu jener Zeit zum Rittmeister à la suite beim 2. Gardedragoner-Regiment in Berlin ernannt worden, ohne aber ein eigenes Regiment zu bekommen).


„Mein teuerster lieber Papa! […] Der gestrige Vormittag verging mit zahllosen Meldungen. Prinz Friedrich Carl empfing mich u. fing merkwürdiger Weise sofort an eingehend über die Rumänische Frage zu sprechen, er schien ganz au fait der Angelegenheit zu sein (es ist nur möglich durch Bismarck u. Rauch) u. meinte ich wäre zu etwas Besserem da, als tributären Fürstentümern vorzustehen, er rate mir die Sache abzulehnen; ich stellte mich ganz unbefangen u. sagte ihm, die Sache wäre noch so wenig reif, dass vorläufig von Annehmen od. Ablehnen nicht die Rede sein könne, außerdem stünde der Krieg vor der Türe, wodurch die Frage in den Hintergrund gedrängt würde.

Heute um 11 Uhr meldete ich mich mit einer ganzen Anzahl von Offizieren beim Könige, er war wie gewöhnlich sehr gnädig, gab mir die Hand u. frug ob Du in Düsseldorf wärest, ich sagte ihm, dass Du vorläufig gar nicht die Absicht hättest von da wegzugehen, über meine militärische Stellung sagte er kein Wort, dagegen hatte ich gestern eine lange Unterredung darüber mit Oberst Rhaden, der mir erklärte, er sehe nicht ab, wann ich im Regimente eine Eskadron übernehmen könnte, vorläufig müsste ich mir gefallen lassen nur dem Zuge zu reiten, ich sagte ihm, dass mir dieses äußerst peinlich wäre.

Nach der Meldung beim Könige fuhr ich zum Kronprinzen, der mich ungemein liebenswürdig und verwandtschaftlich empfing.– Zuerst sprach er über mein Avancement, wobei er genau dieselben Ansichten entwickelte, wie die, die ich Dir darüber in Düsseldorf mittheilte, sagte aber ich sollte mir keinen Kummer darüber machen, es trete in diesen Momenten eine viel wichtigere Frage wie diese an mich heran.– Er sprach nun sehr eingehend über bewusste Angelegenheit, welcher er keineswegs abgeneigt schien, nur eines war ihm störend, dass die Sache von Frankreich aus angeregt u. angetragen war, denn wie er sagte, würde Frankreich seiner Zeit für diesen Dienst, den es dem preuß. Hofe geleistet, irgendeine Entschädigung an Land verlangen. Ich erwiderte, dass der Kaiser [Napoleon III.] niemals an eine derartige Kompensation denken würde u. der Antrag mehr von verwandtschaftlichen als irgend eigennützigen Rücksichten gleitet wäre.– Sehr ehrenvoll u. schmeichelhaft findet der Kronprinz, dass man einem Mitglied des Hauses Hohenzollern eine solche Aufgabe stellt. Dein Memoire hat er mit großem Interesse gelesen.– Morgen bin ich zum Frühstücke eingeladen, um über die Sache eingehender zu sprechen.– Ich sagte dem Kronprinzen dass Friedrich Carl  in der Sache auch orientiert wäre, was ihn sehr wunderte, ich meinte, dass die Partei, die gegen uns, über die ganze Angelegenheit im Ungewissen gehalten werden müsse, sonst arbeitet sie dagegen etc. Der Kronprinz pflichtete demselben ganz bei. Du wirst sagen, lieber Papa, mit der Partei wäre es nicht weit her u. dgl.en. Ich will Dir dagegen ein Factum anführen, ich weiß nicht, ob ich es Dir erzählen soll; der Kronprinz hat es mir in Folge meiner Äußerung über Parteien erzählt.– Vor einigen Tagen war ein großes Diner beim Minister Eulenburg, es wurde über Politik etc. Ausgleichung des Preuß. Oestr. Streites etc. gesprochen. Der Ober-Präsident S… v. P… (Pommern) äußerte, man könnte ja die Hohenzoll’rischen Fürstentümer an Österreich abtreten, dann wäre da der Fürst gleichzeitig für seine liberalen Gesinnungen bestraft.– Ich kenne diesen dummen Kerl nicht, aber ich finde dieses eine solche Frechheit, dass ich um Deine Genehmigung bitte, nachdem ich auch vorher mit dem Kronprinzen Rücksprache genommen, dem S… v. P… auf die Bude zu rücken u. ihn entweder aufzufordern diese Äußerung in Gegenwart der Gäste vom Minister E[ulenburg] zurückzunehmen, widrigen Falls ihn zu fordern.  

Über die politische Situation kann ich Dir gar nichts mittheilen, der Kronprinz meint es sähe sehr kriegerisch aus, ehe es aber dazu käme, würden noch einige Male Noten gewechselt werden. Der preuß. Antrag vom Bunde kann von großer Tragweite sein. Den Ernst der Situation hat man hier gar nicht erfasst, man lebt weiter in Saus u. Braus, es sollen noch Bälle sein, unter andern bei Bismarck. Neben den Kriegs-Rüstungen werden die Manöver-Rüstungen betrieben. Es werden nämlich bereits schon die Anordnungen u. Bestimmungen zum Kriegsmanöver (I u. II Korps) getroffen, die von großem Umfange sein sollen.– Es ist hier unausstehlich die Leute über Politik sprechen zu hören, die meisten verstehen gar nicht worum es sich handelt.– Die Erbitterung auf Österreich ist groß. […]

Indem ich Dir, teuerster Papa, respektsvoll die Hände küsse u. Fritz umarme, bittet bald um einige Zeilen Dein ganz gehorsamer Sohn Carl


***

Briefquelle: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest (Transkription des Zitats hier mit Anpassung an die aktuelle Rechtschreibung).

Briefedition (in diplomatischer Transkription) in Vorbereitung:

„Geliebter Vater und treuster Freund. Der Briefwechsel des Königspaares Carol I. und Elisabeth von Rumänien mit Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Rumänischen Nationalarchiv in Bukarest (1866-1885)“. Historisch-kritische Ausgabe. Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Silvia Irina Zimmermann.

Teilband I: 1866-1876. Anfangsjahre des Fürsten Carol I. in Rumänien.

Teilband II: 1877-1885. Unabhängigkeit Rumäniens und Erhebung zum Königreich.

Schriftenreihe der Forschungsstelle Carmen Sylva – Fürstlich Wiedisches Archiv, Ibidem-Verlag (Stuttgart), 2 Bände zus. ca. 950 Seiten, erscheint voraussichtlich Ende 2021.

Link zum Editionsprojekt: https://www.carmensylva-fwa.de/publ/fscsfwa-briefedition2.html

***

Abbildung 1: Prinz Karl als Premier-Leutnant im 2. Garde-Dragoner-Regiment (1863).

Abbildung 2: Zum Vergleich der verkürzt abgedruckte Brief in: „Aus dem Leben König Karls von Rumänien. Aufzeichnungen eines Augenzeugen“, Stuttgart: Cotta, 4 Bände, 1894-1900, hier: Band 1.

© Artikel & Bilder: Silvia Irina Zimmermann