27. November 1868, bei Piteşti: Aufenthalt des Fürsten Carol in der Villa Florica

27. November 1868, bei Piteşti: Aufenthalt des Fürsten Carol in der Villa Florica bei Piteşti

Aus einem Brief des Fürsten Carol an seinen Vater Karl Anton von Hohenzollern Sigmaringen im November 1868:

„Teuerster lieber Papa […] Nach der Krankheit, die mich sehr heruntergebracht, wurde mir die größte Ruhe anempfohlen und vor allem einige Zeit von den Geschäften fern zu bleiben. Daher verließ ich Samstag vor acht Tagen Bukarest, um mich auf der Villa meines Ministers Brătianu zu etablieren. Ihre Lage ist sehr gesund u. reizend, ziemlich hoch an einem Berg-Abhange von Weinbergen umgeben, dominiert sie das fruchtbare Arges-Tal mit Dörfern besäet, unter denen die Stadt Piteşti mit ihren zahlreichen Kirchen und Türmen sich ganz großartig ausnimmt. Der Weinberg ist als Garten angelegt u. auf seinem höchsten Punkte hat man ein großartiges Gebirgs-Panorama auf die Karpaten vom Olt- bis Buzău-Tal. Die Berge sind jetzt umso schöner und erscheinen umso höher, da sie alle beschneit sind.

Neulich abends begab ich mich zum Sonnen-Untergange allein auf diesen Punkt und traf es glücklich, denn die ganze Kette war rosenrot gefärbt, ich vertiefte mich so in diesen herrlichen Anblick u. ließ in meiner Erinnerung all‘ die schönen und unvergesslichen Bilder der Vergangenheit vorüberziehen, so dass ich glaubte mit Euch vereint in der schönen Schweiz, im lieben Alpengebirge zu sein. Erst als die letzten Sonnenstrahlen von den höchsten Gipfeln schwanden, erwachte ich aus dem angenehmen Traume u. fühlte in dem Augenblicke mehr wie je, wie fern, wie ungeheuer fern ich von Euch, teure Eltern, weile.

Die Tages-Einteilung hier, ist wie in Weinburg. Um acht Uhr frühstücke ich allein, dann promeniert man in den Weinbergen, isst tüchtig Trauben u. besucht die naheliegenden Dörfer. Um 12 Uhr wird gemeinschaftlich gefrühstückt, wozu ich immer, wie auch zum Dinner, zahlreiche Gäste habe. Nachmittags mache ich dann zu Pferd oder zu Wagen eine größere Exkursion, von der man um 5 ½ Uhr heimkehrt. Um sechs Uhr ist das Diner, hernach wird geraucht und konversiert. Abends habe ich dann die Post. So vergeht der Tagt sehr angenehm, der meistens im freien zugebracht wird. Das Wetter ist wie im Sommer. In der Umgegend sind viele Villen, so dass es an angenehmer Herrn- und Damen-Gesellschaft nicht fehlt. Ich habe auch einige Einladungen zum Diner angenommen. Morgen früh verlasse ich leider den schönen Aufenthalt, besuche noch die Distrikte am Olt und bin in 6-8 Tagen wieder in Bukarest.“

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Briefquelle: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest (Transkription des Zitats hier mit Anpassung an die aktuelle Rechtschreibung).

Briefedition (in diplomatischer Transkription) in Vorbereitung:

„Geliebter Vater und treuster Freund. Der Briefwechsel des Königspaares Carol I. und Elisabeth von Rumänien mit Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Rumänischen Nationalarchiv in Bukarest (1866-1885)“. Historisch-kritische Ausgabe. Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Silvia Irina Zimmermann.

Teilband I: 1866-1876. Anfangsjahre des Fürsten Carol I. in Rumänien.

Teilband II: 1877-1885. Unabhängigkeit Rumäniens und Erhebung zum Königreich.

Schriftenreihe der Forschungsstelle Carmen Sylva – Fürstlich Wiedisches Archiv, Ibidem-Verlag (Stuttgart), 2 Bände zus. ca. 950 Seiten, erscheint voraussichtlich Ende 2021.

https://www.carmensylva-fwa.de/publ/fscsfwa-briefedition2.html

© Artikel & Bilder: Silvia Irina Zimmermann