Silvia Irina Zimmermann: Kindheit und Erziehung im Schloss

Silvia Irina Zimmermann: Kindheit und Erziehung im Schloss

24. Februar 2021 Aus Von Silvia Irina Zimmermann

Silvia Irina Zimmermann: Kindheit und Erziehung im Schloss

Der Altersblick in den Erinnerungen von Carmen Sylva, Marie von Ebner-Eschenbach und Lily Braun. Zum 100. Todesjahr der Schriftstellerinnen 2016

(Auszug)

 

Sich im Alter an die Kindheit zu erinnern sei wie Heimweh haben, behauptet der Gedächtnisforscher Drouwe Draaisma, und offenbar liegt ein Zusammenhang zwischen dem Wunsch, seine Kindheitserinnerungen aufzuschreiben, mit einem bestimmten Alter zusammen. In seinem Buch über das Gedächtnis im Alter, „Die Heimwehfabrik“[1], zeigt Draaisma, dass Kindheitserinnerungen vor allem im Alter von etwa 70 Jahren plötzlich wieder auftauchen. Dies passiert zu einem Zeitpunkt, an dem das Gedächtnis an neuere Erlebnisse nachlässt, und dagegen die frühesten Erlebnisse, an die man sich jahrzehntelang vorher nicht erinnert hat, mit neuer Intensität zurückkommen. Dabei bewirkt dieser „Reminiszenzeffekt“, wie die Rückkehr alter Erinnerungen in der Fachsprache der Psychologie genannt wird, dass auch ungewollte Erinnerungen an die Kindheit wieder erwachen, denn auch die schmerzlichen Erfahrungen von früher kehren mit derselben Intensität zurück, so dass man den Kindheitsschmerz von ehemals emotional ein zweites Mal erlebt.[2]

Bei den Schriftstellerinnen Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), Carmen Sylva (1843-1916) und Lily Braun (1856-1916), deren Todesjahr sich 2016 zum hundertsten Mal jährt, kann man auch von einem Reminiszenzeffekt in ihren veröffentlichten Kindheitserinnerungen sprechen. Insbesondere ist dies bei den zwei Älteren festzustellen: Carmen Sylva beginnt mit 60 Jahren ihre Erinnerungen an die in Neuwied verbrachte Kindheits- und Jugendzeit zu schreiben und sie ist 65 Jahre alt beim Erscheinen ihres Bandes „Mein Penatenwinkel“ (1908); Ebner-Eschenbach ist 76 Jahre alt bei der Erstauflage ihrer biographischen Skizzen „Meine Kinderjahre“ (1906); nur die jüngere Lily Braun ist erst 43 Jahre alt, als sie ihre als Roman bezeichneten „Memoiren einer Sozialistin“ (1909) verfasst und in dem ersten Band „Lehrjahre“ ihre Kindheit und Jugendjahre erzählt.

 

Marie von Ebner-Eschenbach stammt aus dem böhmisch-katholischen Adelsgeschlecht Dubsky-Třebomyslyc. Sie wurde am 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz, der elterlichen Herrschaft in Mähren (einer Markgrafschaft des Kaisertums Österreich[3]) geboren, als Tochter des Majors Franz Freiherr von Dubsky und seiner zweiten Frau Marie, geborene Freiin von Vockel, (einem geadeltem sächsischen-protestantischen Juristengeschlecht). Die Mutter starb kurze Zeit nach der Geburt Maries. Zu ihrer ersten Stiefmutter, Eugenie Freiin von Bartenstein, hatte Marie bis zu ihrem siebten Lebensjahr ein inniges Verhältnis, als diese ebenfalls verstarb. Der Vater heiratete erneut, und auch zur zweiten Stiefmutter Maries, Xaverine Gräfin von Kolowrat-Krakowsky, entwickelte sich ein gutes Verhältnis. Während der Wintermonate, die die Familie in Wien verbrachte, nahm die Stiefmutter die beiden Töchter, Marie und Franziska, zu den Theatervorstellungen am Wiener Burgtheater mit, so wie dies auch im Band „Meine Kinderjahre“ erzählt wird. Eine weitere wichtige Bezugsperson Maries ist die Großmutter mütterlicherseits, die zwar die dichterische Tätigkeit ihrer Enkelin ablehnt, aber nach ihrem Tod ihre umfangreiche Bibliothek den Enkelinnen vermacht. Neben dem Zugang zum Theater (aufgrund der Theaterliebe der zweiten Stiefmutter) und zur klassischen deutschen, englischen und französischen Literatur (insbesondere durch die Bibliothek der Großmutter) war die Erziehung Maries vor allem durch mehrere deutsche und französische Gouvernanten geprägt. Vom tschechisch-slowakischen Dienstpersonal und besonders von ihrer Amme Ani­scha lernte Marie Tschechisch und hörte mit Begeisterung zu, wenn diese Märchen erzählte. Lesen, Schreiben, Rechnen, das Erlernen und Beherrschen der französischen Sprache, deutsche Literatur, Geschichte, Geografie, Handarbeit, Klavierspielen, Tanz und Malerei, sowie Religionsunterricht waren damals übliche Bestandteile des Unterrichts für weibliche Adelige.[4] So auch für Marie und ihre Schwester, die von privaten Erzieherinnen und Lehrern unterrichtet wurden. 1848, im Alter von 18 Jahren, heiratete Marie ihren 15 Jahre älteren Vetter Moritz von Ebner-Eschenbach, der als Professor für Physik und Chemie an der Wiener Ingenieur-Akademie tätig war und der die schriftstellerische Tätigkeit seiner Frau unterstützte. Ihre Ehe blieb kinderlos. Als Marie von Ebner-Eschenbach am 12. März 1916 starb, war sie eine gefeierte Schriftstellerin, und sie zählt bis heute zu den bedeutendsten Erzählerinnen Österreichs.

 

Carmen Sylva ist der Schriftstellername der ersten Königin von Rumänien, geborene Prinzessin Elisabeth zu Wied. Sie wurde am 29. Dezember 1843 in Schloss Neuwied geboren, als erstes Kind des Fürsten Hermann zu Wied und seiner Frau Marie geborene Prinzessin von Nassau. 1845 kam ihr Bruder, Erbprinz Wilhelm, zur Welt. 1850 folgte der jüngste Bruder, Otto, der mit einer Köperbehinderung geboren wurde und im Alter von 11 Jahren starb. Aufgrund der Komplikationen bei der Geburt des dritten Kindes, war auch die Mutter Elisabeths jahrelang krank, so dass die Familie wegen ärztlicher Untersuchungen und Behandlung zeitweise in Bonn und in Paris wohnte. Elisabeth zu Wied erinnert sich über ihre Erziehung und die ihrer Brüder im elterlichen Fürstenhaus: nach der Geburt wurde jedes Kind zunächst von einer Amme gestillt, danach bekam jedes Kind eine Gouvernante. Französisch, Englisch und Deutsch lernten die Kinder bereits in den ersten Kinderjahren, die Jungen erhielten üblicherweise durch Privatlehrer Sprachunterricht in Griechisch und Latein. Auch die sprachbegabte Elisabeth hat hierin Glück, denn sie durfte an dem Lateinunterricht des Bruders teilnehmen: „Es war mehr um meinen Bruder zu ermuntern und anzuspornen, aber ich hatte außerordentlichen Genuss davon. Hier kam mein eigentliches Talent zutage.[5] Während des Paris-Aufenthaltes der Fürstenfamilie 1853-1854 besuchte Prinzessin Elisabeth einen Kurs, der nach der Methode des Abbé Gaultier[6] den Wissensstoff spielerisch und im Wettbewerb der Kinder untereinander vermittelte. Zurück in Neuwied erhielt die Tochter Privatunterricht durch verschiedene Lehrer und in mehreren, auch naturwissenschaftlichen Fächern, was für die damalige Mädchenerziehung unüblich war. Auch die Eltern Elisabeths beteiligten sich intensiv an der Erziehung ihrer Tochter. Der Vater unterrichtete Elisabeth in Philosophie, die Mutter bereitete für den Geschichtsunterricht „synchronistische Tabellen“ für die Tochter vor, und beide Eltern bereiteten für ihre Kinder den Religionsunterricht vor. Die Mutter las den Kindern deutsche und englische Klassikerliteratur vor, und sonntags nach dem Frühstück war in der Fürstenfamilie Brauch, dass die Kinder selbst ausgesuchte Gedichte auf Deutsch, Französisch oder Englisch vortrugen. Darüber hinaus erwähnt Elisabeth in ihren Kindheitserinnerungen den für adelige Töchter üblichen Klavierunterricht und die Reitstunden, des Weiteren, dass sie auch Unterricht in Haushaltung bekam und dass alle drei Fürstenkinder auch Einblick in Handwerksarbeit (zum Beispiel lernten sie bei einem Buchbinder selbst Bücher zu binden) und in die Landwirtschaft (die Geschwister hatten ein Gärtchen, dass sie pflegten) erhielten. Nach dem Tod des jüngsten Bruders 1862 folgten für Elisabeth Aufenthalte am preußischen Hof in Berlin, in Petersburg und in Moskau bei ihrer Patentante Großfürstin Helene von Russland. Auch die Jahre nach dem Tod des Fürsten Hermann 1864 waren von mehreren Reisen Elisabeths, meist mit ihrer Patentante, geprägt: nach Schweden, wo sie ihre Verwandten am königlichen Hof besuchte (ihre Tante mütterlicherseits war Königin Sophie von Schweden), sowie nach Italien und Frankreich (Paris).

Im Jahr 1869 heiratete die evangelische Prinzessin Elisabeth den katholischen Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, der seit 1866 zum Fürsten von Rumänien, einem orthodoxen Land, gewählt worden war, einem orthodoxen Land. Das einzige Kind des Fürstenpaares, Prinzessin Marie (1870-1874), starb im Kindesalter infolge einer Diphtherieerkrankung. Nach dem russisch-türkischen Krieg, der für Rumänien zugleich zum Unabhängigkeitskrieg 1877-1878 wurde, erhob man Rumänien zum Königreich. Das Königspaar blieb jedoch weiter kinderlos, was vor allem für die Fürstin jahrelang eine große Unzufriedenheit und Sorge war, da ein Erbe die Stabilität der jungen Dynastie bedeutet hätte und einzelne Minister offen eine Scheidung und Neuvermählung des Königs verlangten. Um ihre Stellung bei Hofe zu verbessern, versuchte Königin Elisabeth ihre Rolle zum Nutzen des Landes neu zu definieren und setzte sich verstärkt für Wohltätigkeit, Förderung der Hausindustrie und Förderung von Kultur und Bildung ein. Des Weiteren versuchte sie auch im Ausland durch Übersetzungen rumänischer Dichtungen auf das neue Königreich aufmerksam zu machen. 1880 wählte sie den Künstlernamen Carmen Sylva (Waldlied) unter dem sie fortan als Schriftstellerin und Dichterin auf dem Thron weltweit bekannt wurde und für deren Werke, mit denen sie das neue Königreich Rumänien im Ausland bekannt machte, zu Lebzeiten Anerkennung fand. Carmen Sylva starb am 2. März 1916 in Bukarest, zwei Jahre nach dem Tod ihres Gemahls König Carol I. von Rumänien, und wurde in der Königskapelle in Curtea de Argeş bestattet.

 

 

Lily Braun sah am 2. Juli 1865 als Amalie von Kretschmar in Halberstadt das Licht der Welt. Sie stammte aus dem preußisch-protestantischen Adel: ihr Vater war General Hans von Kretschmar und die Mutter Jenny, eine geborene von Gustedt. Die Großmutter mütterlicherseits, Jenny von Gustedt geborene Rabe von Pappenheim war die uneheliche Tochter des Jérôme Bonaparte mit Diana von Rabe von Pappenheim. Auch Lily Brauns Großmutter wird in den Erinnerungen an ihre Kindheit erwähnt und ist eine wichtige Person im Leben der Schriftstellerin. Jenny von Gustedt war in Weimar aufgewachsen, zählte zum Freundeskreis Johann Wolfgang von Goethes, und sie ermutigte ihre Enkelin Lily Braun, sich literarisch und politisch zu engagieren. Ihre Schriften und Tagebücher vermachte sie der Enkelin, die diese im Jahr 1892 unter dem Namen Lilly von Kretschman herausgab: „Aus Goethes Freundeskreis. Erinnerungen der Baronin Jenny von Gustedt“ (die 3. Ausgabe erschien 1908 unter dem Titel: „Im Schatten der Titanen“ diesmal unter dem Herausgebernamen Lily Braun).

Die Kindheit und Jugend der Amalie von Kretschmar war einerseits von militärischer Disziplin und Strenge geprägt, andererseits genoss die junge Adelige alle Vorzüge ihrer „Position in der Gesellschaft“[7]:  in der Kindheit in Berlin nahm sie an den „Kindergesellschaften bei den ‘Kronprinzens’“[8] teil, wo sie den späteren Kaiser Wilhelm II. kennenlernte, und in der Jugend genoss sie die Tanzgesellschaften und den Glanz der großen Feste. Der Einsatz des Vaters in unterschiedlichen Garnisonen bewirkte, dass die Familie mehrmals umziehen musste. In der frühen Kindheit war für die Tochter eine Gouvernante eingestellt, später erhielt sie Privatunterricht sowie Unterricht in Privatschulen. Doch das Erziehungsziel war auch im Fall der adeligen Amalie von Kretschmar nicht, eine Ausbildung zu erlangen. Die Tochter wurde mit dem Ziel erzogen, den ständischen Anforderungen der gesicherten „Position in der Gesellschaft“ zu genügen, die durch eine passende Partnerwahl, Heirat und Mütterlichkeit ihre Erfüllung finden sollte.  „Sich beherrschen, sich unterwerfen war die Quintessenz meiner – und aller – Erziehung gewesen.“[9], schreibt Lily Braun in ihren Memoiren, und sie wehrte sich wiederholt gegen die Vorstellung, dass sie im Normalfall nur die Laufbahn: „Du wirst Weib werden und Mutter“[10] und im Alternativfall, als Unverheiratete, das Dienen als Gesellschafterin – Gouvernante – Hofdame“[11]zu erwarten hatte. Erst als ihr Vater pensioniert wurde und die Familie die privilegierte Stellung in der adeligen Gesellschaft verlor, änderte sich diese „sichere“ Perspektive. Die Tochter nahm die Veränderung als Chance wahr, sich eine eigenständige Existenz außerhalb der adeligen Gesellschaft aufzubauen. Sie wurde als Schriftstellerin erwerbstätig, heiratete 1893 den Sozialdemokraten und Philosophieprofessor Georg von Gizycki und begann, sich verstärkt der Frauenbewegung zu widmen. Nach dem Tod ihres Ehemannes heiratete sie den sozialdemokratischen Politiker und Publizisten Heinrich Braun, mit dem sie einen Sohn hatte. Das Ehepaar Braun war Herausgeber der Wochenschrift „Die neue Gesellschaft“, die sich als Organ der Partei verstand. Lily Braun starb am 9. August 1916 in Berlin. Sie gilt als eine der wichtigen deutschen Frauenrechtlerinnen und Sozialdemokratinnen ihrer Zeit.

 

Gemeinsam ist den drei Schriftstellerinnen, dass sie aus adeligen Familien stammen und dass sich in ihren Erinnerungen Ähnlichkeiten in ihrer Erziehung auf eine bestimmte soziale Position und Frauenrolle hin finden (je nach Lebensbereich des Adelstandes, Landsitz, Garnison oder Hof, das Frauenbild der Gutsfrau, Offiziersfrau oder Hofdame).[12] Des Weiteren ist den drei adeligen Frauen gemeinsam, dass sie ihr dichterisches Talent bereits in der Kindheit entdecken, es in ihren Kindheitserinnerungen wiederholt thematisieren und die Haltung der Familienmitglieder dazu schildern, die sehr unterschiedlich ist: von dem Stolz darüber und die Ermutigung, bei den Familienfesten mit Dichtungen beizutragen, über das Misstrauen gegenüber der Veröffentlichung für weitere Leserkreise der bürgerlichen Presse und des Buchhandels bis zur absoluten Ablehnung, aus Furcht, der Familienname könnte durch die Kritik in der Öffentlichkeit kompromittiert werden.[13] Somit haben wir es bei Carmen Sylva, Marie von Ebner-Eschenbach und Lily Braun einerseits mit Erinnerungen adeliger Frauen zu tun, die den bürgerlichen Leserkreisen Einblick in eine exklusive Lebenswelt gewähren. Andererseits handelt es sich zugleich um Dichterinnenbiografien von Frauen adeliger Herkunft und Bildung: die drei Autorinnen thematisieren in ihren Alterserinnerungen an die Kindheit und Jugend biographische Konflikte die sich in der Familie gegenüber ihrem dichterischen Talent ergeben haben und die ihre individuelle dichterische Laufbahn später geprägt haben. Die Vorstellungen der Töchter von einer individuellen Selbstentfaltung und von eigener künstlerischer Äußerung spren­gen den akzeptierten Rahmen der vorgegebenen Rollen für adelige Frauen in der Geschlechterkette der Familie. Das Merkmal Geschlecht als diskriminierende Komponente wird von allen Autorinnen  in der Erziehung und hinsichtlich des Frauenschicksals zwar thematisiert, ist jedoch im Hinblick auf den Berufswunsch Schriftsteller zu relativieren, da männliche Adelige hierin genauso wenig Entscheidungsfreiheit hatten.[14] Auch verliert die Geschlechtskomponente bei den drei Autorinnen an Gewicht, da sie durch ihre Wahl von adeligen Ehepartnern, die ihre dichterische Tätigkeit akzeptieren und fördern, ihre schriftstellerische Tätigkeit nicht per se aufgeben müssen. Der Kampf um Selbstbestimmung über das eigene Schicksal endet somit siegreich und teilweise auch mit den Vorstellungen der Familie versöhnlich, wie bei Ebner-Eschenbach und Carmen Sylva, oder aber mit dem Bruch von der Herkunftsfamilie, wie bei Lily Braun, wobei sie auch nicht im Alleingang, sondern gemeinsam mit dem Ehepartner einen neuen Weg geht.

Betrachten wir die biografischen Konflikte der drei Autorinnen näher, ergeben sich, bei aller Ausdifferenzierung der Lebensumstände und unterschiedlicher Ausprägung der Schicksalsschläge in der Familie, auffallende Gemeinsamkeiten in dem stark emotionalen Gehalt der Erinnerungsbilder, die für die Autorinnen auch im Alter an Intensität nicht verloren haben. Folgende Aspekte der Kindheit und Jugend sind besonders prägend und auch im Rückblick stark emotional geladen: die früheste Kindheit, die Töchtererziehung, das Mutterbild, das Frauenschicksal und das eigene Dichten. Und nicht zuletzt, wird in allen drei Erinnerungsbänden dem späteren Ehepartner die Bedeutung als Seelenverwandter und Mentor der schriftstellerischen Tätigkeit der Autorinnen eingeräumt.

 

Beweggründe zur Veröffentlichung der Memoiren

 

Alle drei Autorinnen beginnen ihre Erinnerungen, die um dieselbe Zeit erscheinen (1906, 1908 und 1909), in gleicher Weise, indem sie im Vorwort erklären, warum sie ihre Erinnerungen an die Kindheit und Jugend im adeligen Elternhause niederschreiben und einer größeren Öffentlichkeit bekannt geben wollen. Der am Anfang erwähnte Reminiszenzeffekt wird von Marie von Ebner-Eschenbach in ihrem Vorwort von 1905 aus Rom anschaulich beschrieben:

 

„Meine Erinnerungen an die Kinderzeit, meinte ich damals, sind nicht besonders lebhaft, und erfahre nun, daß sie, um es zu sein, nur geweckt zu werden brauchten. Es unterblieb zu jener Zeit; denn so alt ich schon war, lag doch noch etwas wie Zukunft vor mir, und auf sie, nicht zurück zur Vergangenheit, lenkten sich meine Gedanken. Nun stehe ich am Ziel, der Ring des Lebens schließt, Anfang und Ende berühren sich. Mit einer Macht des Erinnerns, die nur das hohe Alter[15] kennt, lebt die Kindheit vor mir auf.“ [16]

 

Weiter erwähnt Ebner-Eschenbach, dass sie die Menschen und den „Eindruck, den sie hinterlassen haben“, so schildern möchte, wie ihr „Kindergemüt“ sie erfahren hatte.[17] Ähnlich formuliert es auch Carmen Sylva[18], die, auf Goethes „Dichtung und Wahrheit“[19] verweisend, im Vorwort zu ihrem Band „Mein Penatenwinkel“ (1908) erklärt:

 

„Nicht Wahrheit und Dichtung will ich hier schreiben, sondern kindlich lautere Wahrheit, nur was ich selbst gesehen und gehört.“[20]

 

Auch Lily Braun, die ihre Memoiren einen „Roman“ bezeichnet, greift auf einen Goetheschen Titel zurück, dem Künstler-Bildungsroman „Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman“[21], um ihren persönlichen Werdegang zu schildern. Sie ist die Einzige, die ihre Lebensgeschichte ausdrücklich einem Familienmitglied widmet: „An meinen Sohn“. So liegt die Vermutung nahe, dass für Lily Braun der Geburtstag ihres Sohnes der Auslöser eines „Heimweh“-Effekts nach ihrer Kindheit und Jugend gewesen sein könnte und dass der elfjährige Sohn sie plötzlich an ihre eigene Kindheit und Jugend erinnerten. Vielmehr scheint dieser Zeitpunkt nur ein Vorwand zu sein, den Lily Braun stilistisch im Vorwort zu „ihrem Entwicklungsroman“ einbaut, um ihren Ausbruch aus der adeligen in eine bürgerliche Welt zu erklären, ihre Selbstverwirklichung als sozialdemokratisch engagierte Frau in der Öffentlichkeit zu demonstrieren und sich als ein Beispiel für den selbsterwählten weiblichen Werdegang zu stilisieren. Obwohl sie im Vorwort vordergründig ihrem Sohn ihren, von der „Normalbiografie“[22] einer Adeligen abweichenden Lebensweg erklären will, sind die Memoiren Lily Brauns sicher mit Blick auf die Nachwelt verfasst und veröffentlicht worden:

 

„Die Menschen zürnen mir, und alle nennen mich fahnenflüchtig, die irgendwann auf der Lebensreise ein Stück Weges mit mir gingen; mir aber erscheinen sie als die Ungetreuen. Wer hat recht von uns: sie oder ich? Um die Antwort zu finden, will ich den letzten Wurzeln meines Daseins nachspüren, wie seinen äußersten Verästelungen; und an dich, mein Sohn, will ich denken dabei, auf daß du, zum Manne gereift, deine Mutter verstehen mögest.“[23]

 

Anders als die Ebner-Eschenbach und Lily Braun, ist für Carmen Sylva auch ihr höherer Bekanntheitsgrad aufgrund ihrer sozialen Position als Königin von Rumänien ein Grund für ihre veröffentlichten Erinnerungen, um ihren Werdegang und die Prägung im Elternhause aus der eigenen Sicht zu erzählen. Das größere öffentliche Interesse an ihrem Leben und die bereits zu Lebzeiten erschienenen Biografien über sie, verleiten sie zu der Feststellung, dass „soviel Unsinn“ über sie geschrieben worden sei, dass sie sich verpflichtet fühlte, das Bild über sich zu korrigieren. Mehr noch, Carmen Sylva will der Öffentlichkeit die Wahrheit über ihr Leben schreiben, denn aus ihrer Sicht sei ihr Leben viel schwerer gewesen, als sich viele vorstellen können, die es in einem „angenehmen Licht“ erscheinen lassen wollten.[24] Über das Konzept ihres „Penantenwinkels“ schreibt Carmen Sylva ausführlich in einem Brief vom 15. April 1903 an Else von Arnim Gräfin von dem Busche-Ippenburg:

 

„Ich bin nun an einem Werke der Pietät, an dem ich große Freude habe, ich nenne es ‘Mein Penatenwinkel. Darin will ich von allen Menschen erzählen, die ich von früher Jugend auf gekannt habe, und da in meinem Alter der Kirchhof weit bevölkerter ist als die umgebende Welt, so wird es ein dickes Buch. Und so wird man endlich über mich die Wahrheit lesen. Ich bin kaum an meinem zwölften Jahr, und es hat schon hundertfünfzig Druckseiten! Ich habe viel mehr Menschen verehrt und geliebt, als man es weiß, und es ist schön, sein eigenes Leben an solchen Meilensteinen abzuzählen, die andern gar nicht einmal erwähnend. Ich hatte bis jetzt immer gezögert, mein Leben zu schreiben, da ich nur die einfachste Wahrheit schreiben wollte und keine Indiskretion begehen und keine Anklage erheben. Nun habe ich die Form gefunden! Im ‘Penatenwinkel’ stehen ja nur Götter, da kann also niemand hinein, der nicht schon gestorben ist, wie ich also mich vor jeglicher Indiskretion bewahren kann und vollkommen wahr, ohne von irgend jemand zu sprechen, der es nicht verdient. Wohl mir! Ich habe so unendlich viele und seltene und ausgezeichnete Menschen gekannt, dass ich sehr reich bin und ein Buch der Anbetung und der Dankbarkeit das Resultat meines schweren Lebens sein soll. Ist das nicht schön, liebe Else? Lauter Liebe! Ich habe damit angefangen zu sagen, dass es nicht ‘Wahrheit und Dichtung’ sein wird, sondern lauter Wahrheit, was ich bei meinem Riesengedächtnis versprechen kann, und dass weder Geheimnisse enthüllt noch Skandale erzählt werden.

Nun schildere ich oft sehr ungenügend, weil ich doch manche Menschen nur in so früher Kindheit gekannt habe, dass sich nicht viel mehr wie ihre äußere Erscheinung bei mir eingeprägt hat. Solche wie Ernst Moritz Arndt kann ich genau beschreiben, da ich stundenlang auf seinem Schoße gesessen habe, aber den Gelehrten Bernays konnte ich nur in Umrissen schildern. Ihren lieben Vater hoffe ich recht ähnlich zu zeichnen, wenn ich auch nicht so wie ein erwachsener Mensch ihn gesehen hätte. Doch konnte ich seinen Geistesreichtum sehr genießen, war ihm dankbar für seine Güte und freute mich über seine liebenswürdigen Neckereien. Es ist als wäre alles gegenwärtig, als lebte ich alles noch einmal, als versänke die Gegenwart ganz, und das ist das Schöne von der Vergangenheit, dass die Bitterkeit des Leides verschwindet, dass sie heller wird und immer heller, je weiter man zurücktreten kann. Wenn man weiße Haare hat, lebt man überhaupt lieber in der Vergangenheit als in der Gegenwart, dann wird der ‘Penatenwinkel’ der liebste Aufenthalt, ja, er wird größer wie das ganze Haus und nimmt mehr Raum ein als alles, was einen sonst umgibt. Es ist eigentlich kein Winkel, sondern eine ganze Kathedrale! Aber wo bliebe man lieber als im Herzensdome, wenn das Leben immer leerer wird und die Lieben, verklärt, aus scheinbarer Ferne (vielleicht aber uns viel näher) einen ansehen? Der große Friede, von dem ich immer das sechzigste Jahr begleitet sah, nun ist er wirklich da! Mein Leben lang habe ich mir gewünscht, sechzig Jahre alt zu sein, und nun finde ich es viel schöner, als ich es mir gedacht! Denn ich dachte natürlich nicht, wie reich die Erinnerungen sein würden und wie zahlreich die Verehrten und Geliebten! Der dunkle Lebensweg, nun wird er klar und das Warum so vieler Dinge hat sich jetzt schon enthüllt. Wir, die wir den Tod nur für eine Vervollkommnung und Herrlichkeit ansehen, folgen so oft (in Gedanken) unseren Teuersten in das Jenseits, dass die Himmelstür immer ein klein bißchen weiter aufbleibt und uns immer mehr Einblick gewährt in das Licht und die Herrlichkeit. Die Tragik der Ereignisse wird dadurch auch sehr verringert, dass sie kleiner erscheinen in der Proportion, wenn man mehr an den Himmel denkt als an die Erde. Jedenfalls glaubt man Gottes Führung besser zu verstehen als früher, wo man noch so unsäglich litt. Sie werden sehen, mein Buch wird vielen lieb werden, es ist nicht einmal viel Stil darin, ich erzähle es, wie ich im Gespräch erzählen würde, was mir gerade einfällt, und statt Kapitel stehen die lieben Namen, die das Kapitel veranlassen, obenan.“[25]

 

Die früheste Kindheit

[…]

Die Töchtererziehung

[…]

Das Mutterbild

[…]

Das Frauenschicksal

[…]

Das eigene Dichten

[…]

Der Ehepartner als Seelenverwandter und Mentor

[…]

 

Fazit

 

Auf den im Anfang erwähnten „Reminiszenzeffekt“ zurückkommend, so weist die Rückkehr der Erinnerungen aller drei Autorinnen an ihre Kindheit auch schmerzliche Erfahrungen, die sie emotional hervorheben, um damit ihren Kampf um die eigene Glücksvorstellung auf dem Hintergrund der Rollenvorgaben die ihnen als Glied in der Geschlechterkette der adeligen Familie zur Verfügung stehen, zu verdeutlichen.

„Es ist als wäre alles gegenwärtig, als lebte ich alles noch einmal“, hatte Carmen Sylva an ihre Freundin über das Konzept ihres „Penatenwinkels“ geschrieben, doch täuschte sie sich selbst, als sie meinte, „dass die Bitterkeit des Leides verschwindet, dass sie heller wird und immer heller, je weiter man zurücktreten kann.“[26] Von allen Beispielen an Erziehungsstrenge und Intensität des Unterrichts scheinen die von Carmen Sylva geschilderten Strafen in der Kindheit die drakonischsten und ihr Lernpensum der anstrengendste gewesen zu sein. Und so muss man den Biografen Carmen Sylvas Recht geben, dass der Eindruck entsteht, ihre Kindheit sei keine fröhliche sondern eine eher düstere gewesen, in der sie sich immerfort eingeengt und vor allem einsam gefühlt habe, und dass sie sich um eine fröhliche und ausgelassene Kindheit betrogen fühlte.[27] Allerdings fällt bei Carmen Sylva, im Vergleich zu Ebner-Eschenbach und Lily Braun auf, dass sie die extremen Erfahrungen der Kindheit stärker betont und dass sie das Leid wiederholt in ihren Erinnerungen wie ein individuelles Schicksalsmotiv behandelt. Nicht nur, dass Carmen Sylva keine glückliche Familie beschreibt, sondern sie scheint die leidvollen Erfahrungen im familiären Umfeld intensiver hervorzuheben als dies zum Beispiel bei Ebner-Eschenbach der Fall ist. Denn obwohl Ebner-Eschenbachs Mutter bei ihrer Geburt starb, sie auch die erste Stiefmutter verliert und erst mit der zweiten Stiefmutter die Familie längere Zeit gesund vereint lebt, konzentriert sich Ebner-Eschenbach nicht so sehr auf die Leiden und das „Schlachtfeld im Kinderbett“[28], das für die Frauen in jener Zeit eine wiederholte und ernste Gefahr darstellte.

Carmen Sylva widergibt biografische Skizzen und Denkwürdigkeiten, die sie einzelnen Personen aus ihrer Kindheit und Jugend widmet, vor dem Hintergrund der langjährigen Krankheit ihrer Eltern, der körperlichen Behinderung des jüngsten Bruders Otto und ihres damit verbundenen Gefühls der Schwermut. Als einzige Gesunde unter den Kranken in ihrer Familie sieht sich Carmen Sylva als Kind und fühlt sich als Jugendliche einsam, doch das so erinnerte Einsamkeitsbild stimmt bei genauer Betrachtung nur zum Teil. Denn zugleich zeigt Carmen Sylva ihre Eltern sehr interessiert an ihrer Erziehung, beide kümmern sich auch persönlich um die Bildung ihrer Tochter und unterrichten sie auch selbst beziehungsweise bereiten ihr entsprechendes Unterrichtsmaterial vor.

Lily Braun dagegen lenkt ihren Blick von der Kindheit, die weniger dramatische Szenen enthält, vielmehr auf ihre Jugendzeit, in der sich ihr eigener biografischer Konflikt als Selbstverwirklichungsdrang im Kampf gegen tradierte Frauenrollen abspielt. Ihr soziales Interesse, infolgedessen sie sich der Sozialdemokratie anschließt, entfremdet sie immer mehr von der adeligen Denkweise und von ihren Eltern, so dass sie, um ihrem selbstgewählten Lebensweg zu folgen, dies schließlich nur über den Bruch mit ihrer Herkunftsfamilie realisieren kann.

Einzig Marie von Ebner-Eschenbach beschäftigt hauptsächlich der biografische Konflikt in der Kindheit in Bezug auf ihre dichterische Leidenschaft und die Kränkung der unerklärten Ablehnungshaltung ihrer liebsten Bezugspersonen in ihrer Familie. Ihr dichterisches Talent, dem in der adeligen Gesellschaft durchaus Einsatzgelegenheit und standesgemäßes Genießen in Geselligkeitsformen möglich war, wird insofern abgelehnt, als sie selbst produktiv sein will. Damit strebt sie eine solitäre Beschäftigung über eine Liebhaberei hinaus an, die mit einem Rückzug aus der Gesellschaft zusammenhängt, während üblicherweise Kunst in der Unterhaltung dienen sollte und „standesgemäß“ gemeinsam konsumiert wurde.

Bei allen emanzipatorischen Elementen, selbständigen Entfaltungsvorstellungen sowie Skepsis vor der Ehe, die insbesondere von Lily Braun und Carmen Sylva in den Erinnerungen geäußert werden, wird das Beenden des biografischen Konfliktes (die familiäre Ablehnungshaltung zur nicht standesgemäßen Dichtertätigkeit) nicht im Alleingang gelöst, sondern gelingt erst durch eine Partnerschaft, die dieser förderlich ist (die vom Ehepartner akzeptierte und geförderte schriftstellerische Tätigkeit). So gelingt schließlich der erinnerte Kindheitswunsch der Selbstverwirklichung für alle drei Schriftstellerinnen in einer neuen Familienkonstellation, an der Seite eines Ehepartners. Nach den dramatischen Kämpfen und schmerzlichen Kränkungen, die die plötzliche Erinnerung an die Kindheit die Autorinnen emotional ein zweites Mal erleben ließ, scheint der Übergang in das Erwachsenenalter fast wie ein Happy-End mit märchenhafter Erlösung durch einen Prinzen: der weitere Lebensabschnitt setzt sich an der Seite eines Seelenverwandten fort, der aus der Herkunftsfamilie hinausführt, und von dem sich die Ehepartnerinnen auch in ihrer schriftstellerischen Tätigkeit akzeptiert und verstanden fühlen.

 

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Lesen Sie den gesamten Beitrag in dem Buch:

 

Silvia Irina Zimmermann und Bernd Willscheid (Hg.): Heimweh ist Jugendweh. Kindheits- und Jugenderinnerungen der Elisabeth zu Wied (Carmen Sylva). Mit einem Vorwort I.D. Isabelle Fürstin zu Wied. [Schriftenreihe der Forschungsstelle Carmen Sylva – Fürstlich Wiedisches Archiv, Band 4], Stuttgart: ibidem-Verlag, 335 S., 2016, ISBN: 978-3-8382-0814-5.

https://www.sizimmermann.de/buch/kindheitserinnerungen.htm

 

 

Bemerkungen:

[1] Drouwe Draaisma: Die Heimwehfabrik. Wie das Gedächtnis im Alter funktioniert. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer, Berlin: Verlag Galiani, 2011.

[2] Ebd., S. 11-12.

[3] Ab 1867 Kaiserreich Österreich-Ungarn, nach 1918 wurde Mähren zum Teil des neu gegründeten Staates Tschechoslowakei, seit 1993 gehört es zur Tschechischen Republik.

[4] Walter Demel und Sylvia Schraut: Der deutsche Adel. Lebensformen und Geschichte, München: C.H. Beck, 2014, Kapitel: Adelige Erziehung und Ausbildung, S. 56-63.

[5] Carmen Sylva: Mein Penatenwinkel, S. 259.

[6] Die Lehrmethode des Kurses folgte dem „jeux instructif“ des Louis [abbé] Gaultier (1746-1818).

[7] Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Lehrjahre, S. 66.

[8] Ebd., S. 66.

[9] Ebd., S. 216.

[10] Ebd., S. 215.

[11] Ebd., S. 373.

[12] Die adeligen Lebenswelten auf dem Lande oder am Hofe waren nicht völlig getrennt voneinander und für die Rollenvorgaben an die Frauen gab es auch Überschneidungen, da adelige Frauen von Lande auch an den Höfen verkehrten. Im Vergleich zu den Landadeligen, die vor allem praktische Fähigkeiten aufweisen und das Gutshaus leiten sollten, erforderte das Leben am Hofe von einer höfischen Dame eine gewisse Bildung, das Beherrschen der höfischen Etikette und der französischen Sprache. Dazu mehr in: Christa Diemel: Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen 1800-1870, Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 1998, S. 15f.

[13] Adelige Frauen hatten im Grunde die besten Voraussetzungen für den Schriftstellerberuf, wenn sie Talent aufwiesen und die materielle Sicherheit gegeben war, so wie die Schriftstellerinnengeneration der Romantik und Biedermeier es bewiesen hatte. Dem gegenüber war die Akzeptanz innerhalb der Familie entscheidend, ob eine Frau die schriftstellerische Tätigkeit ausüben durfte und in welchem Maße. Dazu mehr in: Monika Kubrova: Vom guten Leben. Adelige Frauen im 19. Jahrhundert, Berlin: Akademie Verlag, 2011, im Kapitel: Über die Grenzen der Familie. Biographische Konflikte als Kampf um nonkonforme Lebensweisen in der Gemengelage sozialer Anerkennung, S. 223ff.

[14] Siehe ebd., S. 223ff.

[15] Marie von Ebner-Eschenbach veröffentlichte ihren Band „Meine Kindheitsjahre“ (1906) im Alter von 76 Jahren.

[16] Ebner-Eschenbach: Meine Kinderjahre, Berlin: Verlag Gebrüder Paetel, 1906, S. 1-2.

[17] Ebd., S. 2.

[18] Carmen Sylva beginnt die Erinnerungen um 1903 im Alter von 60 Jahren zu schreiben. Siehe in: Carmen Sylva (Queen Elisabeth of Romania). Letters and poems, with an introduction and notes by Henry Howard Harper, Boston: The Bibliophile Society, 1920, Bd. 2, S. 18-19. Bei der Erstausgabe von „Mein Penatenwinkel“ im Jahr 1908 ist Carmen Sylva 65 Jahre alt.

[19] Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Tübingen: Cottaische Buchhandlung, 4 Bände, 1811-1814.

[20] Carmen Sylva: Mein Penatenwinkel, S. 3.

[21] Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman, Berlin: Unger, 4 Bände, 1795-1796.

[22] Lily Braun bricht aus dem adeligen Lebensraum aus, indem sie sich der sozialdemokratischen Bewegung anschließt. In ihren Memoiren zeigt sie dennoch, dass die Selbstrepräsentation, Partizipation an Geselligkeit und auch dichterisches Talent innerhalb des adeligen Selbstrepräsentationsraumes für die Frauen nicht nur möglich sondern sogar gefordert und gefördert wurden. Dagegen weist sie auch auf die Grenzen des Wirkungsraumes der adeligen Tochter hin: das Mitwirken in bürgerlichen Kreisen und die Veröffentlichung eigener literarischer Produktionen unter dem eigenen Namen finden keine Akzeptanz in der eigenen Familie. Über den „Rahmen Normalbiographie“ und den akzeptierten weiblichen Wirkungsräumen in den Biographien adeliger Frauen: Monika Kubrova: Vom guten Leben, Kapitel: Von den Möglichkeiten der Familie: Normalbiographie und Selbstrepräsentation in adelskonformen Räumen, S. 95-222.

[23] Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Lehrjahre, S. 3.

[24] „They have written so much stuff and nonsense about me, that really I feel obliged to rectify, if I don’t want the legend to overgrow the grand, simple and heavy truth, which is always so much grander than the legend. Who would invent reality so terrible as it is, or so deep as it has cut, or so beautiful as it has modelled you! I wonder what people will think when they read that, and see what a difference between this and what even well-meaning people have written about me! It has been disgusting sometimes, and especially their trying to make my life appear in such a pleasant light, when it has been distinctly unpleasant, almost all through. It has been a stormy life […]. But a hard life it has been throughout. People will wonder that there are lives so hard from the first, and never seem to change. But yet there be unchanging love and gratefulness in heavy life too, and that is to be the guiding thread through that labyrinth of troubles. I don’t even name those that have darkened it, but let the veil of silence fall over them and hide them from view. There was a great difficulty every time I tried to write my life, – I felt as if it was untrue, and if true, indiscreet! But so I begin by saying that there will be no scandal and no mysteries revealed in my book of unbounded thankfulness for all the good people I have met.” Aus einem Brief Carmen Sylvas vom 27. März 1903 an einem amerikanischen Freund, in: Carmen Sylva: Letters and Poems, Bd. 2, S. 18-19 und 24-25.

[25] Marie von dem Busche: Else von Arnim. Gräfin von dem Busche als Gattin und Mutter, Leipzig: Koehler & Amelang,  1930, S. 212-214.

[26] Siehe weiter oben zitierte Stelle aus: Marie von dem Busche: Else von Arnim. Gräfin von dem Busche als Gattin und Mutter, Leipzig: Koehler & Amelang,  1930, S. 212f.

[27] Vgl. Mite Kremnitz, Carmen Sylva, Leipzig: Haberland, 1903, S. 20-23. Eugen Wolbe: Carmen Sylva. Der Lebensweg einer einsamen Königin, Leipzig: Koehler & Amelang, 1933, S. 11-31. Gabriel Badea-Păun: Carmen Sylva. Königin Elisabeth von Rumänien – eine rheinische Prinzessin auf Rumäniens Thron, Stuttgart: ibidem-Verlag, 2011, S. 23-32.

[28] Kubrova: Vom guten Leben, S. 242.